BUNDESTAGSWAHLEN 2017 UND DIE RUSSLANDDEUTSCHEN
Aus der vorhandenen Wahlstatistik der Bundestagswahlen 2017 lässt sich nicht erkennen, wie die in Deutschland lebenden Volksgruppen und Minderheiten abgestimmt haben. Was die Volksgruppe der Russlanddeutschen anbetrifft, war man immer der Meinung, dass sie überwiegend unpolitisch ist, und wenn man schon zu den Wahllokalen geht, dann wählt man die CDU und zwar aus Dankbarkeit für die Aufnahme in die BRD. In der letzten Zeit jedoch hat sich in dieser Hinsicht die Stimmung der Russlanddeutschen radikal geändert. Die unvorstellbare Diskriminierung der Aussiedler und Spätaussiedler aus den Republiken der ehemaligen Sowjetunion im Rentenbereich, sowie die künstlich aufgebauten Hindernisse auf ihrem weiteren Heimkehrweg, haben die Betroffenen stark enttäuscht. Das führte dazu, dass sehr viele Russlanddeutsche jetzt ihre Hoffnung auf die Partei „Alternative für Deutschland“ setzen. Wie diese Veränderungen bei der Russlanddeutschen in Zahlen aussehen, zeigt eine soziologische Untersuchung, die man im Herbst 2018 durchgeführt hat. Diese Untersuchung wurde von Waldemar Herdt, dem Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden des Volksrates der Russlanddeutschen in Deutschland, initiiert und geleitet.
Laut der offiziellen Statistik lebten in der BRD im Wahljahr 2017 81.342.969 Menschen, 61.688.485 (75,84%) davon waren wahlberechtigt. Es gibt aber keine aktuellen Zahlen, wie viele Russlanddeutsche derzeit in Deutschland leben. Es ist nur bekannt, dass 2.381.823 Deutsche mit ihren Familienmitgliedern aus der Sowjetunion und deren Nachfolgestaaten von 1951 bis 2016 nach Deutschland ausgewandert sind. Stützt man sich auf diese Zahl, dann lässt sich annähernd die Anzahl der wahlberechtigen Russlanddeutschen berechnen und zwar auf ungefähr 1.806. 375.Personen.
Bei der oben genannten soziologischen Untersuchung wurden 2706 Russlanddeutsche im Alter ab 18 Jahren, die in der BRD leben, befragt. 2207 (81,56%) davon nahmen an den Bundestagswahlen 2017 teil. Wenn man dieses Prozent auf alle wahlberechtigten Russlanddeutschen erweitert, kommt man auf 1.473.279 Personen, die sich am 24.09.2017 an den Wahlen beteiligten.
Die Frage, „Welche Partei hätten Sie heute (Herbst 2018) gewählt?“, haben 2.377 (87,84%) Respondierten beantwortet. Bei der Umrechnung auf alle Russlanddeutschen, die bereit wären neu zu wählen, kommt man auf 1.586.720. Personen. Die Ergebnisse der Bundestagswahlen 2017 und die Angaben zu den möglichen Wahlen im Herbst 2018 bezogen auf die Russlanddeutschen sind in der Tabelle 1 präsentiert.
Tabelle 1
Abstimmung bei Bundestagswahlen 2017 und möglichen Abstimung 2018 |
Partei,
Partei-Koalition |
Stim-men,
% |
Bevöl-kerung
BRD |
Russlanddeutschen |
|||
Stimmen
für Parteien, 24.09.2017 г. |
Mögliche Stimmen
Herbst, 2018 |
|||||
Befragten
Personen |
Umgerechnet auf gewählten (1.473.279 ) | Befragten
Personen |
Umgerechnet auf mögliche wahlbeteiligten (1.586.720 ) | |||
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 |
AfD | Stim- men | 5.878.115 | 1.675 | 1.118.219 | 2.071 | 1.382.509 |
% | 12,64% | 75,90% | 87,13% | |||
Bündnis
90/Grüne |
Stim. | 4.158.400 | 15 | 10.018 | 8 | 5.395 |
% | 8,94% | 0,68% | 0,34% | |||
CDU/
CSU |
Stim. | 15.317.344 | 224 | 149.538 | 82 | 54.742 |
% | 32,93% | 10,15% | 3,45% | |||
FDP | Stim. | 4.999.449 | 39 | 26.077 | 21 | 13.963 |
% | 10,75% | 1,77% | 0,88% | |||
Die
Linke |
Stim. | 4.297.270 | 132 | 88.102 | 86 | 57.439 |
% | 9,24% | 5,98% | 3,62% | |||
SPD | Stim. | 9.539.381 | 93 | 62.025 | 27 | 17.930 |
% | 20,51% | 4,21% | 1,13% | |||
Sonstige | Stim. | 2.325.533 | 29 | 19.300 | 82 | 54.742 |
% | 4,99% | 1,31% | 3,45% | |||
Всего | Stim. | 46.515.492 | 2.207 | 1.473.279 | 2377 | 1.586.720 |
% | 100,0% | 100,0 | 100,0 |
Laut dieser Untersuchung haben 75,90% (1.118.219. Personen) der sich an den Bundestagswahlen beteiligten Russlanddeutschen, ihre Stimmen für die AfD abgegeben. Es ist bekannt, dass die 94 Bundestagsabgeordneten der Fraktion der AfD von 5.878.115 Bürgern gewählt wurden. Betrachten wir diesen Sachverhalt rein mathematisch, hätten die Russlanddeutschen mit 18 Mandaten rechnen können. Nehmen wir in dieser Hinsicht die anderen Parteien in Betracht, hätten die Russlanddeutschen 2 Bundestagsabgeordneten von der CDU /CSU, jeweils einen von der Fraktion Die Linke und der SPD haben können.
Hochwahrscheinlich jedoch leben in Deutschland viel mehr Russlanddeutsche als wir annehmen. Darüber gibt es keine offiziellen Zahlen. Vermutlich liegt diese Zahl im Bereich 4 Mio. Von dieser Zahl spricht der Internationale Konvent der Russlanddeutschen und zwar im Hinblick auf die Altersstruktur der Volksgruppe und die Geburtenzahl. Wenn diese Zahl stimmt, dann können die Russlanddeutschen nicht nur mit 22, sondern mit 35 Mandaten im Deutschen Bundestag rechnen. Aber wie erwähnt, gibt es im Bundestag nur 2 Russlanddeutsche und beide wurden von der AfD gestellt. Diese schreiende Ungerechtigkeit in Bezug auf die Vertretung der Russlanddeutschen in der gesetzgebenden Institution des Landes, sowie vermutlich auch in allen anderen Machtstrukturen, machen uns anlässlich der tatsächlichen Demokratie in der BRD große Sorgen. In diesem Zusammenhang stellt sich nicht nur die Frage um die Diskriminierung der Russlanddeutschen im Ruhestand, sondern um die Benachteiligung der gesamten Volksgruppe in vielen anderen Bereichen des Lebens.
Positive Veränderungen für die Russlanddeutschen sind nur dann zu erwarten, wenn die Volksgruppe aus der politischen Lethargie und Apathie endlich aufwacht, ihr Schicksal in die eigene Hand nimmt und versteht, dass man für seine Rechte immer kämpfen muss. Anders funktioniert die Demokratie nicht. In diesem Sinne wäre es empfehlenswert, sich an die jungste Geschichte des ethnischen Befreiungskampfs der Russlanddeutschen in der Sowjetunion und Russland während der „Perestrojka“ zu errinern. Damals hat die mehr als 100 – tausendstarke „Wiedergeburt“ – Bewegung die ganze Volksgruppe von den Knien gerissen und die Führung der genannten Staaten gezwungen ihre ethnischen Probleme anzuerkennen.
Dr. Heinrich Groth
Dr. Viktor Dechert
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